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Eine Kilimanjaro Besteigung mag zwar auf einen der Seven Summits führen, wer aber auf sich hält in Bergsteigerkreisen würde wohl eher in kalter Erde begraben sein als zuzugeben, dass das Bezwingen des höchsten Bergs Afrikas ein Erlebnis ist. Erlebnis wohlgemerkt, nicht Abenteuer. Mein Glück dass ich kein Bergsteiger bin. Ganz ohne schlechtes Gewissen, dafür mit Höhenkrankheit und allem was dazu gehört, konnte ich mich als Held fühlen als ich den Uhuru Peak auf 5893 erreicht habe.

Besteigung des Kilimanjaro


Der Traum der Kilimanjaro Besteigung

Lebensgefahr und Abgründe sind nicht so recht meine Sache, gar nicht so einfach also über 4000 m zu kommen. Vor einigen Jahren hatte ich es schon mal zu Fuß auf 3774 m, auf die Wildspitze in Tirol, geschafft, das wars dann aber auch schon. Für mich als Rennradfahrer ist spätestens bei knapp unter 3000 m auf den meisten Alpenpässen Schluss.

Nun liegt der Kilimanjaro aber nicht gerade mal ums Eck, sondern in Tansania. Als ewiger Zögerer und Zauderer würde ich wohl noch heute davon träumen auf dem Gipfel zu stehen und auf Afrika herabzuschauen, wäre nicht meine Frau entschlossen eingeschritten und hätte mir den Ausflug auf den schwarzen Kontinent organisiert.

So stand ich also als Teil einer siebenköpfigen Gruppe Anfang November 2010 am Frankfurter Flughafen. Horst, pensionierter Lehrer, Monika, die wilde Henne aus Innsbruck, das Vater – Sohn Duo Werner und Christian, Martina aus Oberösterreich und Ursula aus Hannover. Mit meinen 30 Lenzen war ich der jüngste Teilnehmer der Gruppe, Horst ist mit 67 unser Veteran. Einige Bier später entsteige ich dem Flugzeug, das uns am Kilimanjaro Airport in die gezähmte Wildnis Afrikas entlässt. Das erste, das wir beim Verlassen des Flugzeugs sehen, ist der Feind selbst. Weißblitzend erhebt sich der Riesenberg aus dem Nichts Tansanias und blickt auf seine Bezwinger in Spe herunter.

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Marangu Gate – los geht´s

Nach zwei Tagen im Hotel in Moshi und einer kleinen Safari zur Akklimatisation ist es soweit, die Bergtour startet. Viele Routen führen auf den Kilimanjaro, wir hatten uns für die einfachste entschieden. Die Marangu Route ist die einzige Route hinauf zum Gipfel, auf der man nicht in Zelten, sondern in Hütten übernachtet. Etwas abfällig wird sie auch Coca Cola Route genannt, leichter als die anderen Wege auf den Kilimanjaro ist sie allerdings nicht, eher das Gegenteil ist der Fall. Die Akklimatisation an die Höhe funktioniert auf allen anderen Routen besser, da man den Weg langsamer und in mehreren Tagesabschnitten aufgeteilt in Angriff nimmt. Während andere, um sich an die Höhe zu gewöhnen als Aufwärmprogramm den Mount Meru besteigen, starteten wir sofort auf den Kili. Nur die Harten sterben dumm.


Headguide, Assistant, Porter, Koch und Kellner…. All Inclusive Bergtour

Um noch ein wenig des Heldenhaften, das mich vielleicht im Kopf des Lesers noch umgeben mag, gleich zu Beginn meines Berichts abbröckeln zu lassen, möchte ich kurz beschreiben wie man als Tourist auf den Kilimanjaro gelangt. Eine Besteigung ohne Guide und Team ist strikt untersagt. Das hat zum einen den Sinn, dass die Sache so sicher als möglich abläuft, auch wenn man kein Bergsteiger sein muss um den Gipfel des Kilimanjaro zu erreichen, die Höhe ist doch eine Gefahr. Zum anderen soll natürlich auch die Volkswirtschaft angekurbelt werden, was mit selbst organisierten Seilschaften schlecht bis gar nicht möglich ist. Jede Gruppe besteht aus einem Headguide und, je nach Gruppengröße, einigen Assistant Guides. Dazu kommen die Träger für das Gepäck und Köche und Kellner, die für das leibliche Wohl der Gäste sorgen. Die meisten Touristen geben große Gepäckstücke mit 15 kg und mehr bei den Guides ab, selbst tragen die meisten nur das, was sie unter Tags benötigen. Nur gehen muss man eigentlich selbst, wobei einem im Notfall auch da noch kräftig geholfen wird.

Mandara Hut

Tag 1: Marangu Gate – Mandara Hut

Das erste Teilstück hinauf zur Mandara Hut führt über einen schön angelegten Weg durch dichten Dschungel hinauf zur Mandara Hut auf 2700 m. Der Schatten des undurchdringlichen Grüns der Bäume spendet angenehme Kühle während wir im Schneckentempo die knapp 1000 Höhenmeter hinter uns bringen. „Pole, Pole“…. Langsam, langsam ist das Motto. Immer wieder bleiben wir stehen um uns an der Schönheit der Natur satt zu sehen und zu fotografieren. Ganze Colobus Affenfamilien kreuzen unseren Weg. Unsere Führer Emman und Baraka werden nicht müde uns alles über Flora und Fauna zu erzählen. Emman ermahnt uns immer wieder, viel zu trinken, um den Körper bestmöglich an die Höhe zu gewöhnen. Als braver Wanderer befolge ich den Rat brav, und stülpe etwa 6 – 7 Liter Wasser während des ersten Tages in mich hinein. Nachdem ich anfangs noch die Entkeimungstabletten in meine Flaschen gegeben habe, finde ich den Geschmack der Tabletten im Wasser so erbärmlich und unerträglich dass ich mich entschließe in Manier der Guides und Träger das Wasser unbehandelt zu trinken. Was kann schon passieren, mit abgekochtem Wasser aus einem Nationalpark? Träger mit schweren Lasten am Kopf überholen uns und kommen uns von oben entgegen. wie sie es schaffen, die Koffer und Taschen zu balancieren und dabei schnellen Schrittes voran zu kommen, ist mir bis heute ein Rätsel.

Die Mandara Hut selbst ist eine Ansammlung kleiner, dreieckiger Chalets rund um die große Hütte in der gegessen wird. Die Landschaft ist von einem auf den nächsten Moment in eine Art Laubwald übergegangen. Große Raben sitzen auf dem Plateau unter den Bergsteigern und Trägern und lassen sich fotografieren. Die drei Damen in einer Hütte, die vier Herren in der nächsten warten wir bis uns unser Kellner Wasser zum Waschen bringt. Alles ist perfekt organisiert. Das Gepäck wird wie im 5 Sterne Hotel bis vor die Tür gebracht während in der großen Hütte bereits alles für den Nachmittags Tee mit Keksen und Popcorn hergerichtet wird.

Während der Jause bietet sich uns durch das Fenster ein besonderes Spektakel. Eine Finnin aus einer anderen Gruppe, die schon unterwegs Probleme hatte, müht sich von ihrer Hütte zum großen Gebäude. Sie scheint sich bereits auf der ersten, leichten Etappe komplett verausgabt zu haben. Die Zauderer unter uns glauben etwas mehr an den eigenen Erfolg unserer Kilimanjaro Besteigung, als wir sehen wer es aller probiert. Mut aus der Schwäche anderer zu schöpfen ist vielleicht nicht gerade heroisch, der Zweck aber heiligt die Mittel.

Nach der kleinen Stärkung machen wir noch einen Ausflug zum Maundi Krater. Riesenhaft ist dieser pflanzenbedeckte Kessel. Unser Guide Emman erzählt mir, dass hier die Massai ihre Rituale abhielten um den Regengott um das heiß ersehnte Nass anzuflehen. Alle Krieger versammelten sich im Krater rund um eine Kuh. Mit Pfeil und Bogen wurde das Tier getötet und anschließend das warme Blut getrunken.

Das Abendessen wird liebevoller zubereitet als in so manchem Hotel. Unser Koch hat sich mächtig ins Zeug gelegt. Spargelsuppe, Reis und Gemüsesauce werden uns serviert auf 2700 m. Chris, unser Kellner, hat den Tisch sogar mit Kerzen gedeckt. Unglaublich, wenn man bedenkt dass unser Team von den Spargeln angefangen über die Töpfe alles hier hochschleppen muss.

Obwohl ich mir die kleine Hütte mit drei mehr oder weniger ungewaschenen mehr oder weniger Fremden teile, schlafe ich doch recht gut. Einmal muss ich vor die Tür, die Wasserorgie des Tages verlangt ihren Tribut. Als Stadtmensch bin ich die Dunkelheit Afrikas nicht gewohnt. Ohne Stirnlampe wage ich es kaum, einen Fuß vor die Tür zu setzen. Der Sternenhimmel ist einzigartig. Weit weg unten im Tal sieht man ein paar Lichter der Stadt Moshi zu uns heraufleuchten, ansonsten gehört der Himmel sich selbst. In diesem Teil der Erde scheint die Nacht ein Gewölbe zu bauen und ihre Lichter daran aufzuhängen. Dazu schreien die Affen und machen einen Höllenlärm. Werner und Horst wachen in der Früh halbwegs gerädert auf, mit ihnen war das Sandmännchen weniger gnädig.

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Tag 2: Mandara Hut – Horombo Hut

Es ist faszinierend, wie schnell die Szenerie gewechselt hat. Als hätte man auf einer Theaterbühne die Kulisse ausgetauscht, hat die Landschaft bei der Mandara Hut vom Dschungel in die Heide- und Moorlandschaft gewechselt. Die Bäume und Lianen sind Geschichte, ebenso die Affen. Riesengroße Blumen, Senecien und Lobelien, Sträucher und Büsche säumen unseren Weg, den wir nach einem sensationellen Frühstück mit Würstchen und Brot in Angriff nehmen. Wer genau hinsieht, kann auf den Ästen der Sträucher Chamäleons entdecken. Ohne Brille und ohne Führer würde ich nicht eines der putzigen Tierchen entdecken. Der Weg ist gut ausgebaut. Mit dem Wetter haben wir Glück. Zwar merkt man schon im Ansatz wie schnell es hier oben gehen kann, dass es von Sonnenschein hin zu dichten, schwarzen Wolken wechseln kann, zu regnen beginnt es aber nie und die Temperatur ist angenehm genug um bis auf 3700 m in kurzen Hosen zu gehen.

Unsere Guides Emman und Baraka erzählen uns vom Leben in Afrika. Zwar sind sie durchaus nicht zu den Ärmsten des Landes zu zählen, der Alltag in Tansania aber ist natürlich bei weitem nicht mit unserem Luxusleben in Europa zu vergleichen. Die Schulbildung hat dank einiger Reformen in den letzten Jahrzehnten einen Aufschwung erhalten, Dinge wie Arbeitslosengeld, Krankenversicherung oder Eigentumswohnung sind für sie weiter entfernt als eine Reise zum Mond. Einige der Brocken Suaheli die sie mir beibringen kann ich mir merken. Nguvu cama simba – strong like a lion!

Zebra Rocks am Kilimanjaro

Nach etwas über 6 Stunden Gehzeit, 1000 Höhenmeter, einem Mittagessen unterwegs, gefühlten 18 Liter Wasser und 25 Pinkelpausen, erreichen wir die Horombo Hut. Die Hütten ähneln einem kleinen Dorf. Martina aus unserer Gruppe hatte schon die erste kleine Krise zu überwinden, mit geeinten Kräften haben wir sie aber auf die Hütte gebracht. Unsere Dienerschaft hat wieder alles für uns zur Perfektion hergerichtet. Nach einem kleinen Snack unternehmen wir noch eine Wanderung hinauf zu den Zebra Rocks, einer schwarz-weiß gefleckten Felsformation. Der Mawenzi Krater der sich zu unserer Rechten erhebt sich majestätisch in der untergehenden Sonne als wir zum ersten Mal 4000 m Höhe erreichen.


Tag 3: Horombo Hut – Kibo Hut

Nach einer diesmal etwas durchwachsenen Nacht mit leichtem Regen wache ich früh auf. Die Wolken haben sich bereits verzogen, die ersten Sonnenstrahlen kämpfen sich schon durch den Dunst. Der Ausblick ist grandios: der Regen der Nacht hat die Luft nochmals gesäubert. Wolken hängen über dem Tal. Es ist, als wache man im Flugzeug auf. Der Mawenzi Krater erhebt sich im ersten Sonnenlicht, schwarze Raben spazieren durch das Hüttendorf. Den Uhuru Peak sieht man noch nicht, die schneebedeckten Gipfel des Kilimanjaro Massivs sind aber die ersten Boten dass es nicht mehr weit ist.

Nach einem Frühstück mit frischem Toast, Würstchen und Tee marschieren wir durch die immer karger werdende Landschaft. Felsen ersetzen die Büsche und Bäume des Vortages. Steinwüste beschreibt die faszinierende, letzte Etappe vor dem Gipfelsturm wohl am besten. „Pole, Pole, slow, slow,“ ermahnen uns die Führer immer wieder. Es nützt nichts. Martina hat wieder Probleme, auch Christian, obwohl er sehr fit ist, kommt mit der Höhe nicht klar. Als wir auf etwa 4300 m zum Mittagessen rasten, klagt er über Kopfschmerzen. Ich teile mein Lunchpaket mit kleinen Mäusen. Die zutraulichen Tiere fressen einem aus der Hand.

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Karriere am Kilimanjaro: vom Porter zum Guide

Auf dem Weg zur Hütte erklärt mir Emman wie man es bis zum Head Guide einer Kilimanjaro Besteigung schafft. Die klassische Karriere beginnt als Träger. Nach 2-3 Jahren dieser schweren Arbeit wird man Koch oder Kellner, je nach Begabung. Wer es in dieser Position einige Jahre aushält und sich als verlässlich und robust erweist, kann Assistent Guide werden. Um Head Guide zu werden, muss man eine spezielle Schule besuchen. Hier lernt man neben der Organisation alles über die Flora und Fauna sowie rund um die Geschichte Tansanias, um ausländischen Gruppen die Faszination des Kilimanjaro näher zu bringen. Dank Geschenken von Touristen sind vor allem die Guides sehr gut ausgestattet. Sie zählen zur Mittelschicht Tansanias. Die Träger hingegen latschen in alten, abgetragenen Sachen Richtung Kibo Hut. Sie haben noch einen langen, harten Weg vor sich bis auch sie eventuell Gruppen führen können.

Die Kibo Hut ist erreicht, wenn auch für viele unter einigen Mühen und Qualen. Christian nimmt eine Tablette und legt sich hin, um seine Kopfschmerzen in den Griff zu bekommen. Ich unternehme gemeinsam mit Werner und Monika eine kleine Wanderung. Die Temperaturen sind merklich gesunken. Ich spüre auch ein wenig Druck im Kopf, Schmerzen sind es allerdings noch nicht. Die Bewegungen gehen auf dieser Höhe nur mehr in Zeitlupe vor sich.

Die Stimmung beim Abendessen ist gespannt. Die Kibo Hut ist nicht annähernd so gemütlich wie Mandara und Horombo. Statt kleiner Chalets gibt es nur eine große Hütte. Wir teilen uns alle zusammen einen Schlafraum mit einer Gruppe aus dem Zillertal. Nach dem Abendessen mit Suppe und Pancakes legen wir uns um sieben Uhr in die Stockbetten. Die Nacht ist kurz, der Aufbruch ist bereits für 23.30 in der Nacht geplant. Obwohl es draußen eiskalt ist, wärmt mich der Schlafsack den ich mir von einem Freund ausgeliehen habe ausreichend dass ich nur mit Unterhosen im Bett liege. An Schlaf ist trotzdem nicht zu denken, einer unserer Zillertaler Zimmergenossen schnarcht wie ein afrikanischer Elefant.


Tag 4: Kibo Hut – Uhuru Peak

Bereits beim Aufstehen nach meinem Nickerchen fühle ich mich schlecht. Der Druck im Kopf hat sich zu leichten Kopfschmerzen ausgewachsen, mir ist schlecht. Auch mein Puls ist viel höher als sonst. Beim nächtlichen Frühstück schaffe ich einige Tassen Tee und einen kleinen Keks, mehr will ich mir nicht antun, obwohl eine lange Wanderung ansteht. Christian hat sich wieder so weit erholt dass er den letzten Tag der Kilimanjaro Besteigung in Angriff nehmen kann, Martina schafft es nicht mehr aus dem Bett.

Pünktlich brechen wir auf. Insgesamt 4 Guides begleiten unsere Gruppe in der Dunkelheit. In der Nacht hat es geschneit, mittlerweile präsentiert sich der Sternenhimmel aber wieder in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit. Im Schneckentempo, aber unter großer Anstrengung, legen wir die ersten Höhenmeter bei Temperaturen um die -15 Grad zurück. In den Pausen friere ich, kann auch nichts essen. Noch schlimmer ergeht es Christian, der sich immer wieder übergeben muss. Emman, unser Head Guide entscheidet aber, dass er weiter gehen kann.

Nach einiger Zeit zerreißt unsere Sechsergruppe. Werner, Christian und ich gehen mit zwei Guides voraus, Monika, Ursula und Horst kämpfen sich in einem etwas langsameren Tempo die Kehren Richtung Gilmans Point hinauf. Christian hat weiterhin Probleme, kämpft sich aber tapfer weiter. Ich selbst schnaufe wie eine Dampflok. Die tiefen Atemzüge helfen, den Brechreiz und die Kopfschmerzen etwas unter Kontrolle zu halten. Unsere Guides sprechen uns Mut zu. Sie singen sogar, machen Tiergeräusche und reden uns gut zu. Für sie ist das, was für uns eine Tortur ist, ein müheloser Spaziergang. Sie haben weder Verpflegung noch Wasser mit dabei, da sie immer in der Lage sein müssen die Rucksäcke der Tourmitglieder zu übernehmen. Ich biete ihnen mehrmals aus meiner Flasche zu trinken an, vergebens.

Nach einigen Stunden, die unendlich erscheinen, erreichen wir Gilmans Point auf 5685 m Höhe. Bis dorthin schimpfe und fluche ich in meiner Verzweiflung, als ich dann aber zwischen den Felsenkegeln sitze und im Osten die Sonne sich langsam zeigt, breitet sich ein Glücksgefühl aus. Jetzt sind es noch 100 Höhenmeter bis zum Stella Point, anschließend noch 100 Höhenmeter bis zum Gipfel.

Sonnenaufgang hinter Stella Point

Wie in Trance stolpere ich vorwärts auf dem schmalen Pfad durch das coupierte Gelände. Die Gletscher, die sich zu allen Seiten erheben, bekomme ich nur noch periphär mit. Ich konnte es mir nicht ausmalen, wie anstrengend die Unternehmung nun ist. Obwohl ich bereits einige, extreme sportliche Anstrengungen in meinem Leben überstanden habe, der Gipfeltag der Kilimanjaro Besteigung verlangt mir alles ab. Ohne Medikamente ist die Höhe nur schwer zu ertragen wenn man sie nicht gewohnt ist. Christian ist noch kaputter, seinem Vater hingegen scheinen die 5700 Höhenmeter nichts auszumachen.

Als am Stella Point die Sonne aufgeht, fassen wir neue Moral. Der Gipfel ist zum Greifen nahe. Zwar fühlt sich mein Körper noch immer an, als wäre ich vom Zug überfahren worden, ich weiss nun dass ich den Uhuru Peak erreichen werde. Ich torkle vorbei an der wunderschönen Landschaft die sich links und rechts von mir erhebt. Immer wieder kommen mir nun Teilnehmer anderer Gruppen entgegen, die sich schon wieder am Abstieg befinden. Als der Gipfel schon in Sichtweite kommt, muss ich mich übergeben, schaffe es aber weiter zu gehen. Auf den letzten Metern mobilisiere ich nochmals alle Kräfte.

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Uhuru Peak: 5893 Meter über dem Meer

Oben angekommen bin ich überwältigt von der Schönheit des Gipfels, der Anstrengung und der Rührung. Unsere Führer Baraka und Sauly umarmen mich und gratulieren aus ganzem Herzen. Ich bin den Tränen nahe. Auch die anderen beiden treffen kurz darauf ein. Werner hat unterwegs Fotos gemacht, er scheint noch Bärenkräfte zu haben. Christian hingegen ist am Ende. Den höchsten Punkt Afrikas zu erreichen ist ein einzigartiges Gefühl, es verlangt einem aber körperlich alles ab. Zumindest ohne chemische Nachhilfe wie Diamox. Andere Gruppen erreichen den Gipfel scheinbar ohne Probleme. Sie feiern ausgelassen. Wir machen einige Fotos und beginnen dann mit dem Abstieg. Etwas unterhalb des Gipfels treffen wir auf die Nachhut unserer Gruppe. Horst und Monika haben es geschafft, auch wenn sie erledigt aussehen, Ursula hingegen musste am Stella Point knapp unter dem Gipfel das Handtuch werfen.

Nach einigen Stunden Abstieg erreichen wir die Kibo Hut. Ich bin erledigt, fühle mich krank und ausgemergelt. In voller Montur lege ich mich zitternd in mein Stockbett und schlafe bis am frühen Nachmittag trotz regem Kommen und Gehen im Zimmer. Erst auf Drängen unseres Headguides schaffe ich es, das Bett zu verlassen. Mein Körper fühlt sich an wie nach einer durchzechten Nacht. Ich schaffe es ein Sandwich zu verdrücken um zumindest etwas im Magen zu haben bevor es los geht mit dem Abstieg zur Horombo Hut, wo wir die letzte Nacht am Kilimanjaro verbringen. Nach einem kurzen Abendessen lege ich mich sofort wieder ins Bett, während die anderen den Gipfelsieg bei etwas Wein und Schnaps feiern.

5. Tag: Abstieg zum Mandara Gate

12 Stunden Schlaf später, erwache ich noch immer etwas geschwächt. Die Kopfschmerzen sind zwar Geschichte, mein Magen ist aber noch etwas beleidigt. Der Haferschleim zum Frühstück ist die perfekte Stärkung um die 2000 m Abstieg mit Würde hinter mich zu bringen. Der Kilimanjaro präsentiert sich auch am letzten Tag unter blauem Himmel, während die Landschaft nochmals an uns vorüber zieht.

Als wir Mandara Gate erreichen, ist die Freude bei uns allen groß. Wer hätte gedacht, dass 5 der 7 Reiseteilnehmer unserer Gruppe den Gipfel erreichen? Das Kili – Bier im Hotel schmeckt hervorragend, vor allem aber die Dusche nach 4 Tagen ohne fließendes Wasser, ist für den gelernten Europäer eine echte Wohltat. Jeder einzelne von uns strahlt wie ein frisch polierter Philharmoniker. Anderen Hotelgästen, denen der Aufstieg noch bevor steht, erzählen wir mit etwas Stolz davon, was sie erwartet.

Vor dem Abendessen kommt unsere gesamte Crew zu uns ins Hotel um das wohlverdiente Trinkgeld entgegen zu nehmen und mit uns auf den Gipfelsieg anzustoßen. Ich bin etwas skeptisch, glaube ich doch dass die meisten der Männer lieber nach Hause zu ihren Familien möchten anstatt mit uns Bier zu trinken. Emman aber garantiert mir, dass es durchaus ein Erlebnis für alle ist, eine Einladung nach der Reise ist etwas äußerst Ungewöhnliches. Die meisten der Träger haben wir nie zu Gesicht bekommen. Jeder einzelne der Männer gratuliert uns. Ich bin etwas peinlich berührt ob des ganzen Prozedere samt Urkundenverleihung, schließlich haben alle den Kilimanjaro schon des öfteren bezwungen, unter wesentlich widrigeren Begleitumständen. Als sie die Kilimanjaro Hymne anstimmen und im Gastgarten des Hotels ausgelassen tanzen, sehe ich aber dass es für die Träger und Guides kein Muss ist, sondern sie sich wirklich amüsieren.

Erlebnis Kilimanjaro Besteigung

Wer Lebensgefahr und Nervenkitzel sucht, ist am höchsten Berg Afrikas an der falschen Stelle. Ohne Guide und Träger gibt es keine Kilimanjaro Besteigung, alles ist organisiert. Ein Spaziergang, wie im Vorfeld oft gehört, ist die Besteigung des Kilimanjaro aber nicht. Der letzte Tag ist auf Grund der Höhe sehr anstrengend. Auf über 5000 m gibt es auch bei der besten Organisation keine 100%ige Sicherheit. Ein Rest Abenteuer bleibt erhalten für jeden, der kein erfahrener Haudegen zwischen Anden und Himalaya ist. Das Erlebnis, alle Klimazonen dieser Erde innerhalb kürzester Zeit zu durchwandern, bei 45 Grad Temperaturunterschied zwischen Start und Gipfel, ist unvergleichlich. Am höchsten Punkt eines Kontinents, auf einem der 7 Summits, zu stehen, ist ein Gefühl das einen mit Stolz erfüllt. Die Geschichten die die Führer zu erzählen haben und die Eindrücke die man gewinnt, begleiten einen bis nach Hause. Die Besteigung des Kilimanjaro kann ich mit keiner Reise, die ich bisher unternommen habe, vergleichen.